Achtsam miteinander umgehen – nicht nur an Feiertagen
Vorab muss ich wohl erwähnen, dass ich Atheist bin. Weihnachten hat für mich also keine religiöse oder spirituelle Bedeutung. Allerdings bin ich christlich sozialisiert und als Humanist genießt die Freiheit des Glaubens für mich einen hohen Stellenwert. Dennoch oder gerade deshalb: Weihnachten im Krankenhaus ist für mich auf vielfältige Weise besonders.
Weihnachten auf Station bedeutet Verzicht
Als Vater einer Tochter bedeutet es in erster Linie Verzicht. Darum ist es mir wichtig, zumindest den Nachmittag und Abend des 24. Dezember Zuhause zu verbringen. Nicht meinetwegen, sondern um Zeit für meine Tochter zu haben. Das verbindet mich wahrscheinlich mit zahlreichen meiner Kollegen, aber auch mit Patienten und deren Angehörigen. Jeder dieser Menschen würde Weihnachten lieber Zuhause im Kreise der Familie verbringen.
Wohltuende Ruhe – alles läuft langsamer
Das Christfest im Krankenhaus sind aber nicht nur von Verzicht geprägt. Sondern auch von einer ungewohnten Ruhe. Wohltuende Ruhe. Zeit zur Besinnung, zum Innehalten und zum Nachdenken. So ist über die Feiertage auf Station meist weniger los. Trotzdem bleibt auch über Weihnachten die Zeit nicht stehen. Es gibt Menschen, die um ihr Leben kämpfen. Es gibt Angehörige, die trauern. Es gibt Patienten, denen es emotional und körperlich schlecht geht und die Trost, Beistand und Unterstützung brauchen.
Gefühlt spielen sich diese kleinen und großen Dramen jedoch langsamer, geradezu entschleunigt ab.
Eigentlich sitzen wir alle im gleichen Boot
Mir scheint es, als ob gerade durch diese Ruhe allen Beteiligten klar wird, dass sie eigentlich im selben Boot sitzen. Patienten, Angehörige, Pflegende, Ärzte, Putzfrauen, Bettenfrauen, Seelsorger, Serviceassistenten, Patiententransport und wen auch immer ich in meiner Aufzählung vergessen habe. An Weihnachten habe ich das Gefühl, dass all diese Menschen für kurze Zeit enger zusammenrücken. Auch wenn es sonst Differenzen gibt.
Ich habe das Gefühl, mit mir selbst und der Welt im Reinen zu sein.
Weihnachten im Krankenhaus bedeutet für mich eine ganz eigene Form der Gemütlichkeit und Besinnlichkeit. Der ein oder andere nette Mensch bringt Plätzchen oder kleine Aufmerksamkeiten auf Station vorbei. Und wenn die Zeit es zulässt, scheint bei einer Tasse Kaffee und selbstgebackenen Plätzchen alles für einen Augenblick friedlich. Ich habe das Gefühl, mit mir selbst und der Welt im Reinen zu sein.
Ich wünsche mir: Die Atmosphäre einpacken
Das ist für mich der wahre Zauber der Weihnacht. Auch, oder gerade als Atheist. Und so wünsche mir jedes Jahr aufs Neue, ein klein wenig von dieser weihnachtlichen Atmosphäre einpacken zu können. Um den Rest des Jahres davon zu zehren. Leider endet der Traum oft schon nach den Feiertagen. Der Alltag kehrt zurück und mit ihm der normale Krankenhauswahnsinn mit Trubel, Hektik und Stress.
Jeden Tag ein bisschen Weihnachten leben
Was bleibt ist die Erkenntnis, dass wir auch während der übrigen Zeit des Jahres öfter innehalten sollten. Weihnachten ist nicht nur ein Fest. Weihnachten ist ein Gefühl. Eine innere Haltung, die uns dabei helfen kann, uns auf uns selbst und die Menschen um uns herum zu besinnen. Auf unnötige Streitigkeiten zu verzichten, Gräben zu überwinden und ein klein wenig achtsamer miteinander umzugehen.