Fachkräftemangel: Pfleger wandern aus

Pflegekräfte suchen ihr Glück im Ausland

Niederlande, Schweden oder Belgien scheinen ein besseres Gesundheitssystem zu besitzen. Jedoch gilt es alle Seiten zu betrachten.
Das Gras scheint auf der anderen Seite immer grüner zu sein. Doch es gibt Pro und Kontra (Foto: Fotolia)

Deutsche Pflegekräfte sind unzufrieden. Und das schon sehr lange. Verwunderlich ist es also nicht, dass immer mehr Arbeitskräfte mit dem Gedanken spielen, auszuwandern.

Modellrechnungen des Statistischen Bundesamtes von 2010 zeigen, dass bis in zehn Jahren 152.000 Pfleger ausgewandert sein sollen. Eine drastische Zahl, wenn man bedenkt, dass Pflegekräfte hier in Deutschland sowieso als rar gelten und Unterbesetzung den Alltag prägt. „Gerade die Unterbesetzung ist einer der größten Push-Faktoren, der Arbeitskräfte aus dem Land verjagt“, so Britta Zander. Die 28-Jährige ist für den deutschen Anteil der RN4Cast-Studie (Registered Nurse Fore- casting: Human Resources Planning in Nursing) zuständig.

Diese weltweit bislang größte Krankenpflegestudie beinhaltet 118 Fragen, die in zwölf europäischen Ländern 33689 Pflegekräften gestellt wurden. Die Fragen beziehen sich hauptsächlich auf die Arbeitsumgebung, Burnout, Arbeitszufriedenheit, Versorgungsqualität und den Personaleinsatz (Personalbesetzung, Aus-sowie Weiterbildung).

Die Studie verspricht neue Erkenntnisse für die Pflegeforschung, da so vielseitig gefragt und international geforscht wird. Dabei betrachtet die Studie neben Deutschland Großbritannien, die Niederlande, Norwegen, Schweden und die Schweiz. „Auch die hohe emotionale Belastung, die niedrigen Gehälter und schlechte Kooperation zwischen Krankenhauspersonal und den Ärzten können Beweggründe zur Emigration sein“, so Zander.

Jedoch gilt die dünne Personaldecke in Deutschland als größtes Problem: Zehn Patienten kommen auf eine Pflegekraft. In Norwegen liegt der Verteiler bei vier. Kein Wunder also, dass 82 Prozent aller deutschen Pfleger angibt, mit dem Personalschlüssel unzufrieden zu sein – mehr als in allen anderen untersuchten Ländern. Pflegekräfte in der Schweiz, wo der Personalschlüssel bei eine zu sechs liegt, sind im Ländervergleich am zufriedensten.

Auch bezüglich des Gehalts sind die deutschen Pflegekräfte Schlusslicht – nur 34 Prozent sind mit den durchschnittlich 2.779 Euro brutto zufrieden. „Dabei sind die Deutschen gehaltlich zufriedener, als Pfleger in Schweden“, so die Mutter eines Neugeborenen. In der Schweiz seien Betroffene am zufriedensten mit dem Gehalt, auch wenn dieses lediglich im Mittelfeld liegt mit 3600 Euro brutto.

Fehlende Anerkennung am Arbeitsplatz empfinden 35 Prozent der Befragten in Deutschland – damit hat Deutschland den Bestwert. „Die Schweizer Pflegekräfte sind mit 61 Prozent am unzufriedensten“, so die wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachbereich Management im Gesundheitswesen an der Technischen Universität Berlin.

Dabei ist Anerkennung ein wichtiger Faktor für ein gutes Arbeitsklima: Fehlendes Lob hat Auswirkung auf die Stimmung und somit auf die Motivation. Studien haben gezeigt, dass fehlende Anerkennung zu emotionaler Erschöpfung und Burnout führt, sowie zum Unterlassen relevanter Pflegetätigkeiten.

Ein Drittel der deutschen Krankenpfleger fühlt sich emotional überfordert und erschöpft. Dieser Wert ist der zweitschlechteste unter den sechs Ländern und wird nur von Großbritannien überboten. „Hingegen zeigen die Niederlande nur einen Wert von zehn Prozent. Somit fühlen sich dort die Pflegekräfte am wenigsten überfordert“, sagt Zander.

„Auswandern beinhaltet immer auch individuelle Gründe“, weiß die Berlinerin. So spielen beispielsweise Vorlieben für Kulturen eine Rolle bei der Auswahl des Auswanderungslandes. „Es gibt immer Dinge, die woanders besser sind als im eigenen Land und andersherum. Allerdings gibt es gerade bei der Professionalisierung und Akademisierung in der Pflege sichere Länder, wie die Niederlande, die für ambitionierte Pflegekräfte interessanter sind“, so Zander.

Die Wissenschaftlerin rät Auswanderern, sich ausführlich über das Land zu informieren. Denn nicht in allen Ländern lassen sich die Erwartungen erfüllen.


Nele Ruppmann Jahrgang 1998, studiert germanistische Linguistik an der Uni Stuttgart. Nebenher ist sie als freie Mitarbeiterin für die Pflegebibel aktiv. Ihr Lebensmotto: „Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar“