Pflege allein zu Haus: Sturzgefahr

Per Decke durch die Wohnung

Multiple Sklerose verursacht im Krankheitsverlauf immer wieder Schwindelattacken und Gangunsicherheit, welche die Sturzgefahr erhöhen. (Foto: Fotolia)

Sturzgefahr: Wenn Pflegebedürftige stürzen, ist die Panik bei Angehörigen groß. Stürze lassen sich nicht immer verhindern. Gerade eine so unberechenbare Krankheit wie Multiple Sklerose führt immer wieder zu Unfällen. Wiebke Worm beschreibt, wie sie und ihr Mann gelernt haben, mit der Sturzgefahr umzugehen.

Als mein Mann das erste Mal stürzte, fühlte ich mich sehr hilflos. Viele Fragen schossen mir auf einmal durch den Kopf. Zunächst musste ich sicherstellen, dass ihm nichts passiert ist. Als ich mich diesbezüglich beruhigt hatte, kam die Erleichterung. Direkt danach die Ernüchterung: Wir beide waren total ungeübt. Solch eine Situation kannten wir vorher nicht.

Lockerheit trotz Sturzgefahr

Mein Mann grinste mich an und sagte: „Nichts passiert“. Er war wesentlich lockerer als ich. Ich half ihm auf. Etwas umständlich, aber wir bekamen das hin. Was für ein Schreck. Wie oft wir das noch erleben sollten, war uns zu dem Zeitpunkt nicht bewusst. Die Sturzgefahr blieb. Während ich das hier schreibe, klopfe ich auf Holz. Alle bisherigen Stürze verliefen ohne große Verletzungen.

Wenn die Kraft fehlt

Irgendwann kam der Tag, an dem ich meinem Mann nicht auf Anhieb hochhelfen konnte. Er hatte keine Kraft. Ich auch nicht. Niemand in der Nähe, der helfen konnte und den Rettungsdienst wollten wir nicht anrufen. Ich kann mir vorstellen, dass manch einer beim Lesen jetzt die Augen verdreht. Aber so lautete nun mal die Bitte meines Mannes, die ich respektiert habe. Es lag ja auch keine Gefahrensituation vor. Nach einer kurzen Pause wurde mir klar, dass wir ihn diesmal nicht so leicht hochbekommen würden, wie die Male davor.

Die Decke als Trage

Zum Glück hatte ich einen Geistesblitz: Ich schnappte mir eine Wolldecke, rückte meinen Mann darauf zurecht und los ging es. Einmal quer durch die Wohnung, bis hin zum Pflegebett. Ich vorweg, die Enden der Wolldecke um meine Hände gewickelt, er wie in einer Trage auf der Decke. Zum Glück mit genug Kraft, sich an den Seiten der Decke festzuhalten. Sicher, das Ziehen und Zerren war anstrengend, aber ich war wirklich stolz auf diesen Einfall. Ihn um die Ecken zu manövrieren, entpuppte sich als kompliziert. Aber wir haben es geschafft.

Mit dem Schrecken davon gekommen

Wir stellten fest, dass es nicht möglich ist, ein Pflegebett bis auf den Boden zu senken. Oder zumindest kurz davor. Das hat uns zwar geärgert, aber nicht mehr geschockt. Halb zog er sich, halb schob ich ihn in die Höhe. Als mein Mann dann im Bett lag, hätte er über seine Hilflosigkeit würgen können. Ich wiederum fand es toll, wie gut er geholfen hatte. Nicht sehr lange danach konnten wir zum Glück schon wieder miteinander grinsen. Es muss ein Bild für die Götter gewesen sein.

Rückhalt in Facebook-Gruppen

Voller Stolz über die Decken-Idee habe ich das in einer Facebookgruppe Pflegender Angehöriger als Tipp weitergeben wollen. Einigen war das neu. Aber es hat mich erstaunt, wie viele pflegende Angehörige ihre Lieben schon per Decke oder Laken  durch die Wohnung gezogen haben.

Inzwischen haben wir einen Deckenlifter. Damit sind solche Prozeduren zum Glück hinfällig. Den Tipp für einen Deckenlifter habe ich übrigens in der gleichen Facebookgruppe erhalten.

Wenn Sie mir bis hierher gefolgt sind, bedanke ich mich für Ihr erneutes Interesse.

Meine Fragen diesmal:

Ist Ihnen schon Ähnliches passiert? Wie behelfen Sie sich in solchen Situationen?

Ich wünsche Ihnen alles Gute

Ihre

Wiebke Worm

 

Über Wiebke Worm

Wiebke Worm schreibt die Pflegebibel-Kolumne Pflege allein zu Haus. Die Buchautorin, Illustratorin und Fotografin pflegt ihren MS-kranken Mann. Gemeinsam mit Betroffenen und anderen pflegenden Angehörigen hat die ehemalige Crew-Managerin den Sammelband Wir bauen eine Brücke herausgegeben. Über ihre Facebook-Seite Wir pflegen unsere Lieben betreut sie die Aktion Herzensangelegenheiten, die Aufmerksamkeit für die Lebensumstände pflegender Angehöriger schaffen soll. Bei uns schreibt die Autorin über ihren Pflegealltag und gibt nützliche Tipps für pflegende Angehörige und Betroffene.

 

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