Pflege allein zu Haus: Abrechnung des Pflegedienstes

Pflegende Angehörige dürfen zwischen Abrechnung nach Zeit oder Leistung wählen

Pflegende Angehörige müssen sich neben der Pflege über ihre Rechte informieren. Das bedeutet zusätzliche Arbeit, hilft aber unnötige Extrakosten zu vermeiden. (Bild: Fotolia)

Diese Woche erklärt Wiebke Worm, worauf Pflegende Angehörige bei der Abrechnung des Pflegedienstes achten müssen. Denn wer hier nicht aufpasst, der bleibt auf unnötigen Rechnungen sitzen.

Seit 2012 gibt es das Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz (PNG). Dieses lässt uns pflegenden Angehörigen die Wahl zwischen zwei verschiedenen Abrechnungsmodellen, wenn wir einen Pflegedienst mit der Pflege unserer Lieben beauftragen: Abrechnung nach Leistung oder Abrechnung nach Zeit.  Als mein Mann und ich kurzfristig einen Pflegedienst (PD) benötigten, bin ich naiv an das Thema herangegangen. Die Pflegedienstleitung erwähnte im Nebensatz, dass es zwei Abrechnungsmodelle gibt. Aber sie stellte die Situation so dar, als rechne sich nur die eine Art der Abrechnung für mich.

Bei ihnen werde immer so abgerechnet.

Den Unterschied in der Art der Abrechnung erklärte man mir nicht. Ich habe auch nicht nachgefragt.

Abrechnung nach Zeit

Gut, die Pflegedienste sind ja die Erfahrenen. Also habe ich vertraut. Außerdem stand ich unter Druck, weil ich dringend einen Pflegedienst (PD)  brauchte. Zwei hatten schon abgesagt. Damals dachte ich noch, ein PD rechnet ohnehin ALLES direkt mit der Pflegekasse ab. So fackelte ich nicht lange und unterzeichnete den Vertrag. Warum ich die Auskünfte der Pflegedienstleitung nicht hinterfragt habe, kann ich heute nicht mehr nachvollziehen. Wahrscheinlich war ich einfach überfordert.

Ungeahnte Kosten

Fakt ist: Es wurde nach dem Zeitmodell abgerechnet. Dass das teuer wird, wurde mir klar, als der PD ankündigte, dass er einen neuen Kostenvoranschlag (KV) schicken würde. Schließlich müssten bei ihm ja immer ungeplant zwei Mitarbeiter kommen. Eine Anmerkung dazu: Die geschulten Leute vom PD haben den Transfer meines Mannes vom Stuhl ins Bett und zurück in sieben von acht Wochen zu zweit durchgeführt. Einen Transfer, den ich vorher und bis heute allein mache! Mein Mann ist 1,80 m groß und nicht dick. Ich bin 1,69 m und ebenfalls nicht dick. Warum also zwei Pflegekräfte kommen mussten, begreife ich bis heute nicht. Das ist aber eine andere Geschichte.

Abrechnung nach Leistung

Zurück zum Kostenvoranschlag: Eine Bekannte erzählte mir, dass es zwei Abrechnungsmodelle gebe. Und dass bei uns gegebenenfalls die Abrechnung über Leistung günstiger wäre.  Daraufhin bat ich den PD beim neuen KV beide Varianten durchzurechnen.  Da bei dem PD selten nach Leistung abgerechnet wurde, dauerte das eine Weile.

Das Ergebnis war nicht korrekt: Im KV waren viel mehr Leistungen angegeben, als bei uns durchgeführt wurden.

Trotzdem war er auch so schon einige Hundert Euro günstiger, als der nach Zeit!  Natürlich habe ich daraufhin auf Leistung umstellen lassen. Laut Gesetz dürfen wir, die pflegenden Angehörigen, nämlich die kostengünstige Variante wählen.

Mehrkosten tragen die pflegenden Angehörigen

Ich gestehe, ich war wirklich verärgert, dass ich nicht von Anfang an beide KV erhalten habe. Aber das ist Vergangenheit. Ich möchte Ihnen folgendes ans Herz legen. Vergessen Sie nicht, nach beiden KV zu fragen, wenn Sie einen Vertrag abschließen müssen. Alles, was mehr kostet als das Pflegegeld von der Pflegekasse, müssen sie selber tragen. Das ist einigen, die noch nicht mit Pflege zu tun haben, überhaupt nicht bewusst.

Wenn plötzlich das Abrechnungsmodell geändert wird…

Warum ich heute das Thema aufnehme? Eine Freundin schrieb mir, dass ihr PD den Vertrag umgestellt hat.

Ohne Anfrage und ohne Rücksprache. Nur eine Mitteilung: Ab jetzt werde auf Zeit abgerechnet.

Da frage ich mich doch, ob das rechtens ist, wenn ein PD einfach so den Vertrag umstellt und meine Freundin ab jetzt aus ihrer eigenen Kasse zuzahlen muss? Ich weiß es nicht. Aber ich finde das eine riesengroße Sauerei. Dieser PD meinte, anders würde sich die Pflege bei ihnen nicht mehr rechnen. Der Dienst hat meine Freundin jahrelang unterstützt und kannte ihre Situation. Dass sie jetzt in Geldprobleme gerät, interessiert dort nicht.

…und den Pflegedienst nicht wechseln kann.

Kommt jetzt jemanden in den Kopf: Soll sie doch wechseln? Ja! Mir natürlich. Was aber, wenn es in der Nähe kaum andere Möglichkeiten gibt? So ist es nämlich. Der einzige PD in der Nähe hat gleich klargemacht, dass sie ebenfalls auf Zeit abrechnen. Kaum haben sie den Lifter gesehen, gab es nur noch das eine Abrechnungsmodell. Oder überhaupt keine Hilfestellung.

Extra-Belastung für Pflegende Angehörige

Ich fühle mich bei solchen Geschichten so hilflos. Meine Freundin und ich sind nur zwei von vielen. Da haben wir nun solch ein Gesetz und es wird nicht umgesetzt. Oder kann nicht umgesetzt werden, weil es sich für die Pflegedienste dann nicht rechnet. Grausam, dass hier die volle Last der zusätzlichen Kosten auf den Schultern derjenigen liegt, die eh schon geschlagen sind und sich nicht wehren können.

Pflegende Angehörige in der Armutsfalle

Nicht umsonst lese ich von pflegenden Angehörigen, die in Armut leben. Wer sich nicht vorstellen kann oder will, wie schnell man alles verlieren kann, der  sollte die Webseite „Armut durch Pflege“ besuchen. Dort können Sie wahre Geschichten von Angehörigen nachlesen, die ein solches Schicksal erlitten haben.

Leider habe ich überhaupt keine Idee, wie wir pflegende Angehörigen, unser Recht auf Wahl des Abrechnungsmodells durchsetzen können, wenn ein PD dann eben aus Kostengründen eher kündigt.

Ich beende meine Kolumne heute sehr nachdenklich und wünsche Ihnen allen viel Kraft, vor allem wenn Sie in solchen Situationen feststecken.

Meine Fragen an Sie heute

Wussten Sie das es das PNG gibt? Haben Sie tatsächlich die Wahl, oder wird Ihnen auch gesagt, wir rechnen nur in der einen Art ab?

Herzliche Grüße und vielen Dank, wenn Sie mir bis hierhin gefolgt sind.

Ihre Wiebke Worm

Über Wiebke Worm

Wiebke Worm schreibt die Pflegebibel-Kolumne Pflege allein zu Haus. Die Buchautorin, Illustratorin und Fotografin pflegt ihren MS-kranken Mann. Gemeinsam mit Betroffenen und anderen pflegenden Angehörigen hat die ehemalige Crew-Managerin den Sammelband Wir bauen eine Brücke herausgegeben. Über ihre Facebook-Seite Wir pflegen unsere Lieben betreut sie die Aktion Herzensangelegenheiten, die Aufmerksamkeit für die Lebensumstände pflegender Angehöriger schaffen soll. Bei uns schreibt die Autorin über ihren Pflegealltag und gibt nützliche Tipps für pflegende Angehörige und Betroffene.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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