Netzfundstück: Durchs Spielen zum Erzählen

Tina Schuster erfindet Aktivierungsspiele für Senioren

Unter ihrer Marke Haptikon bring Tina Schuster Spiele und Aktivierungsmaterialien für Senioren heraus (Foto: Haptikon)

Als Gretlies Kujath in hohem Alter freiwillig ins Seniorenheim zog, war ihr häufig langweilig. Die angebotenen Beschäftigungen unterforderten die fitte Rentnerin. So wurde Enkelin Tina Schuster damals zur Spiele-Erfinderin. Mittlerweile gibt die 43-Jährige unter ihrer Marke „Haptikon“ Spiele und Aktivierungsmaterialien speziell für Senioren heraus.

Gemeinsam kochen, basteln oder tanzen: Betreuungskräfte bringen Abwechslung in den Pflegealltag. Steht kein solches Event an, dann holen Betreuer gerne Gesellschaftsspiele aus dem Schrank. Dabei geht der Trend weg von Spieleklassikern wie „Mensch ärgere Dich nicht“. Pflege- und Betreuungskräfte setzen zunehmend auf Spiele, die speziell für ältere Menschen entwickelt wurden.

Spiele für Senioren

Tina Schuster erfindet solche Spiele: Ihre Kreationen sollen Senioren Freude bereiten und sie geistig und motorisch ansprechen. „Typikato“ beispielsweise regt das Gedächtnis an. Spieler müssen Begriffen aus unterschiedlichen Kategorien Typisches zuordnen. „Als in der Kategorie ‚Alles was…‘ die Karte ‚schmeckt‘ aufgedeckt wurde, antworteten zwei alte Damen zeitgleich wie aus der Pistole geschossen: ‚Sachertorte‘“, berichtet die gelernte Veranstaltungskauffrau lachend, „da war plötzlich Stimmung am Tisch“. In solchen Momenten wird das Spiel häufig zur Nebensache. Denn die Damenrunde schwatzte über Kuchen und ein Gruppengefühl entstand, das im Alltag häufig fehlt.

Spielspaß auf unterschiedlichem Niveau

Wie bringe ich Freude und Abwechslung zu Menschen, die in ihrem Bewegungsradius oder in ihren kognitiven Fähigkeiten eingeschränkt sind? Diese Frage treibt die Spiele-Erfinderin an. „Deshalb lassen sich alle meine Spiele in der Schwierigkeitsstufe anpassen“, betont Schuster, „jeder kann nach seinen Fähigkeiten und Bedürfnissen eine Spielvariante wählen.“
Um individuelle Fähigkeiten berücksichtigen zu können, müssen Aktivierungsspiele aus Materialien gefertigt sein, die ansprechend und gut greifbar sind. Denn pfitzelige Kleinteile vermiesen schnell den Spielspaß. Und damit auch demenziell veränderte Menschen an der Spielerunde teilnehmen können, sollten die Spiele übersichtlich gestaltet und klar strukturiert sein. Am besten mit großen Bildern oder Fotos.

Über Sinnliches sanft zur Biografiearbeit

Da es Menschen mit Demenz häufig schwerfällt, sich in Worten auszudrücken, bieten sich in der Betreuung Spiele an, die die Sinne anregen. Und darüber Erinnerungen wecken. Bei „Los Florados“ ertasten und „erriechen“ Spieler zwölf verschiedene Kräuter und Gewürze. Mit den Erinnerungen kommen oftmals auch die Worte zurück. Pflegekräfte finden dann über Fragen wie „Welche Gewürze haben Sie früher benutzt?“ oder „Welches Gewürz passt denn am besten zu welchem Gericht?“ spielerisch neuen Zugang zu ihren Schützlingen und können sanft in die Biografiearbeit einsteigen.

Altersgerecht spielen

Für eine Generation, die in der Nachkriegszeit groß geworden ist, gelten Spiele häufig als unnützer Zeitvertreib. Um die Senioren dennoch an den Spieltisch zu bekommen, bieten Schusters Spiele altersgerechte Themen. Bei ihrer neusten Schöpfung, dem Kommunikationsspiel „Berufstrubel“ geht es um verschiedene Berufsbilder, die durcheinandergeraten sind. Durch geschicktes Tauschen, im Würfelduell oder durch einfaches Puzzeln setzen die Spieler die Berufsbilder zusammen. „Passend dazu kann jeder Geschichten aus seinem früheren Berufsleben zum Besten geben“, erklärt die Pulheimerin.

„Lebensschätze“: Ein Leitfaden zur Biografiearbeit

Tina Schuster bietet in ihrem Online-Shop nicht nur Spiele, sondern auch Aktivierungsmaterialien an. Gemeinsam mit ihrer Großmutter hat sie das Erlebnis- und Biografiebuch „Lebensschätze“ entworfen. Immer abwechselnd, auf einer Seite Text, auf der anderen Seite Fotos, können Kinder oder Enkel gemeinsam mit ihren Angehörigen deren Leben dokumentieren, Zeit zusammen verbringen und so viele Gesprächsanlässe finden. „Mir hat eine Tochter geschrieben, dass ihre demenziell veränderte Mutter das Buch unbedingt mit zum Arzt nehmen wollte“, erzählt Schuster, „der rote Faden durch das eigene Leben gab ihr Sicherheit.“

Infos zu Haptikon

Haptikon ist Tina Schusters Wortneuschöpfung aus „Haptik“ und „Konzept“. Ihre Produkte sollen haptisch gut greifbar und angenehm zu berühren sein. Konzeptuell sollen sich die Spiele sowohl für Senioren als auch die Aktivierung von demenziell veränderten Menschen eignen. Deshalb gibt sie ihre Kreationen auch im Vorfeld in Einrichtungen, wo Bewohner, Betreuer und Pflegekräfte diese ausführlichen Praxistests unterziehen. Als Expertin für Aktivierung gibt die 43-Jährige außerdem Workshops und Seminare rund um das Thema Aktivierung.