Krieg der Generationen

Psychotherapeut warnt vor Entfremdung zwischen Jung und Alt

Die Kommunikation zwischen den Generationen scheint eingerostet.
Jüngere Generationen sind oft genervt von Zurechtweisungen der Älteren. Aufeinander zu gehen und Verständnis dem anderen Gegenüber schaffen hier Abhilfe. (Foto: Fotolia)

Den Alten empfehle ich mehr Optimismus und Neugierde“, sagt Joachim von Lübtow. In seinen Vorträgen liest der 76-Jährige seiner Generation deutlich die Leviten. Seit Jahren befasst sich der Lehrer und Psychotherapeut mit der Generationenversöhnung.

Einbinden der Generationen

Die Kontaktaufnahme mit der jungen Generation vergleicht Joachim von Lübtow mit dem Sport: Der Erfolg hängt vom Training und der Wiederholung ab. Günstig sei deshalb, möglichst vielfältig und häufig den Kontakt zur Jugend zu suchen, sei es in der Nachbarschaft, an der Supermarktkasse oder im Restaurant. Und der 76-Jährige gibt zwei Beispiele aus seinem Alltag, in dem er im Sommer den Nachbarn in seinen Garten einlud oder die Urbacher Konfirmanden in den Demenz-Gottesdienst, den er gestaltete.
Von Lübtow empfiehlt, sich ab dem 55. Lebensjahr auf das Alter einzustellen und sich selbst die Möglichkeit zu geben, lebendig zu bleiben. Ein gutes Training hierfür sei, jüngeren Freunden und Familienmitgliedern Vorschläge für eine gemeinsame Freizeitgestaltung zu machen oder sich von ihnen technisch komplizierte Dinge erklären zu lassen.

Die soziale Lebensversicherung

Später können diese Kontakte den Alltag unterstützen, sind somit also eine Art sozialer Lebensversicherung. „Den Ruhestand nenne ich lieber Ruhedank“, sagt der Generationen-Coach. Nämlich Dank dafür, neue Sachen lernen und Fehler machen zu dürfen, ohne Druck von außen und in der eigenen Geschwindigkeit. Denn dieser Lebensabschnitt sei geprägt von Freiheit und Kreativität, weil einem niemand mehr Vorschriften macht.
Doch genau diese Freiheit führt auch zu Neid. Dies merkt von Lübtow, wenn er und seine Frau einen Urlaub planen und die Kinder mit der Bemerkung „schon wieder?“ reagieren. Eine Notsituation schweiße Jung und Alt zusammen, während auf Wohlstand der einen Generationen, die andere durch Neid reagiere. Sein Fazit: „Ich höre meine Generation oft über Altersarmut aber fast nie über Kinderarmut reden.“

Von der anderen Generation lernen

Von Lübtow plädiert für Fairness und Rücksichtnahme aller: „Wer sich nicht über die andere Generation informiert, ihr mit Respekt begegnet und sich vorurteilsfrei für sie Zeit nimmt, bekommt kein stimmiges Bild von ihr.“ Gegenseitige Bewertung schüre Konflikte. Dabei könnten beide Seiten viel voneinander lernen und profitieren“, meint der Urbacher. Die Alten bieten Lebenserfahrung, die Jungen Weltoffenheit und Flexibilität.

Wichtig ist dem Psychotherapeuten der Aspekt des sich abgeschoben Fühlens vieler Älterer. So werde oft empfunden, wenn die Angehörigen osteuropäische Pflegekräfte holen statt diese Dienste selbst zu verrichten. Werde darüber nicht gesprochen, führe dies zur Entfremdung. „ Es sollte eine Art Altersteilzeit geben, in der sich Kinder in der Berufsphase parallel um ihre Eltern kümmern können“, schlägt von Lübtow vor. Den Alten gibt er zu bedenken, dass es die Jungen nerve, wenn Sätze mit Formulierungen beginnen wie „früher war alles besser“, charakterliche Bewertungen, zu denen auch gehört „als ich in deinem Alter war“ oder Apelle, wonach Jüngere „Respekt vor dem Alter haben“ müssten.


Nele Ruppmann Jahrgang 1998, studiert germanistische Linguistik an der Uni Stuttgart. Nebenher ist sie als freie Mitarbeiterin für die Pflegebibel aktiv. Ihr Lebensmotto: Man sieht nur mit dem Herzen gut.“Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar“