Kontrolleure arbeiten gegen die Pflege-Mafia

Berlin stellt 24 Personen ein, die Pflegebetrug aufdecken

Die Pflege-Mafia ist hauptsächlich in Berlin zu Gange (Foto: Fotolia)

Nach aktuellen Ermittlungen von Bundes- und Landeskriminalamt stehen derzeit 230 osteuropäische Pflegedienste bundesweit unter dem Verdacht, systematisch Abrechnungen und Dokumentationen zu fälschen (die Pflegebibel berichtete). Das Land Berlin geht nun gegen die Pflege-Mafia vor und stellt 24 Kontrolleure ein.

Pflege-Mafia soll aufgedeckt werden, eine Million Euro Schaden

Grund für die Maßnahme ist der Verdacht, dass 230 Pflegedienste im ganzen Bundesgebiet systematisch Leistungen bei der Pflegekasse abrechnen, die sie nicht erbracht haben. Pflegedokumentationen seien gefälscht worden und das Personal habe nicht über die nötigen Qualifikationen verfügt. Angeblich haben die Pflegedienste auch Verbindungen zum organisierten Verbrechen, beispielsweise zur Glücksspielbranche, und agieren zu einem Großteil von Berlin aus. 100 Firmenchefs und Führungspersonen wohnen in Berlin. Allein 90 Verfahren laufen in der Hauptstadt derzeit. Verdächtigt sind auch Ärzte, Apotheker und Patienten. Der geschätzte Schaden liegt bei einer Milliarde Euro.

Kontrolleure suchen Pflegebetrüger und finanzieren sich damit selbst

Claus Fussek und Gottlob Schorer decken in ihrem Buch „Im Netz der Pflegemafia“ Missstände in der Pflege auf. (Foto: randomhouse)

Pro Berliner Bezirk sollen zwei Kontrolleure dauerhaft nach Pflegebetrügern suchen. Nun sollen für die unbefristete Anstellung der Experten monatlich 400.000 Euro im kommenden Doppelhaushalt bereitgestellt werden. Die Investition dürfte sich schnell auszahlen, denn die Kontrolleure erwirtschaften ihre eigenen Kosten, indem sie zukünftig Betrug verhindern. Verfehlungen werden zur Anzeige gebracht und die fälschlicherweise ausgezahlten Leistungen zurückgefordert. Nach Angaben der Berliner Pflegeverwaltung gibt es in Berlin rund 116.000 Pflegebedürftige, drei Viertel von ihnen werden zu Hause betreut, und 600 Pflegedienste.

Dienste über Netzwerke organisiert

Nach den Erkenntnissen der Sonderermittlungsgruppe von Bundeskriminalamt und dem Landeskriminalamt in Nordrhein-Westfalen, ist die Mehrheit dieser Dienste über Netzwerke organisiert. Auch von Verbindungen zur Organisierten Kriminalität ist im entsprechenden Bericht die Rede. Die mutmaßlichen Betrüger haben Scheinfirmen im Ausland aufgebaut, einige Firmeninhaber seien „rechtmäßig wegen Mordes verurteilt“ worden, und man könne manche in den Fokus geratene Personen mit Geldwäsche in Verbindung bringen.

Regionale Schwerpunkte sind laut Bericht mit weitem Abstand Nordrhein-Westfalen und Berlin. Alleine in diesen beiden Bundesländern haben 141 „phänomenrelevante Unternehmen“ ihren Sitz. Danach folgen Niedersachsen (17 Pflegedienste), Brandenburg (14) und Bayern (13).

Pflege-Mafia schadet dem Ruf aller

Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe möchte gegen die Pflege-Mafia vorgehen. (Foto: JochenZick, actionpress)

Nach Einschätzung von Experten gibt es bundesweit etwa 13.000 ambulante Pflegedienste. Die, die nach den Regeln spielen, sind vom aus dem Skandal folgenden schlechten Ruf mit betroffen. „Es zeichnet sich ein System ab, in welchem von Berlin ausgehend deutschlandweit ein Netzwerk von Pflegedienstunternehmen eingerichtet und betrieben wird, welches mit mehreren Varianten des Abrechnungsbetruges, der Hinterziehung von Abgaben und Steuern und daraus folgender Geldwäsche vorgeht und eine ganze Wirtschaftsbranche beschädigt“, so die Autoren des Berichtes. Durch polizeiliche Maßnahmen allein sei eine Bekämpfung des Phänomens nicht möglich. Aus Sicht der Ermittlergruppe bedarf es umfassender Reformen auf allen Ebenen.

 


Leila Haidar ist freie Wirtschaftsjournalistin aus Stuttgart. Sie ist für verschiedene überregionale Tageszeitungen tätig, schreibt für Fachmagazine und beschäftigt sich mit den verschiedensten Themen, darunter Personal, Industrie und Logistik.