Augenwischerei Generalistik

Kinder- und Krankenpflege bleiben beim Status quo, Altenpflege verliert

Kinder- und Krankenpfleger werden in jeglichen Pflegeberufen arbeiten können, Altenpfleger werden begrenzt.
Die Generalistik der Pflegeberufe wird voraussichtlich 2019 kommen – damit auch viele offene Fragen (Foto: Fotolia)

Das Thema Generalistik ist in der Pflegebranche bekannt. Viele Vor- und Nachteile tauchen auf, die noch zu klären sind. Die Politik reagiert mit einer Neuregelung ab 2019. Wir haben die ehemalige Sozialministerin Katrin Altpeter dazu befragt.

Frau Altpeter, sie sind seit März in Stuttgart Schulleiterin. Wie sieht die Lage für zukünftige Pflegekräfte aus?
Ich bin selbst erstaunt, dass wir hier an der Schule so viele motivierte Nachwuchskräfte haben, die sich auf die Alten-, Kinder- und Krankenpflege freuen. Auch unser Migranten-Programm findet Anerkennung, wodurch die Neuankömmlinge zeigen können, aus welchem Holz sie geschnitzt sind.

Wie sehen Sie die Pflege-Generalistik?
Ursprünglich sollte die Generalistik das Fachkräftemangel-Problem beheben. Es sollte nur noch eine Ausbildung für Kinder-, Kranken- und Altenpflege geben, sodass jeder in jedem Pflegebereich arbeiten kann. Das ist für mich, als würde man alle kaufmännischen Berufe zusammenlegen und sagen, sie seien alle gleich. Das funktioniert so nicht. Und dementsprechend gibt es Proteste.

Wie reagiert die Politik?
Die Reaktion war noch kurioser. Nun ist es so, dass unsere Schüler die ersten zwei Ausbildungsjahre in Form der Generalistik bestreiten werden. Im dritten Jahr können angehende Altenpfleger auf ihr Profil gehen; Kinder- und Krankenpflege bleiben jedoch zusammen. Der Sinn dahinter bleibt mir verborgen, zumal die Altenpflege wieder der Verlierer ist.

Weshalb sind Altenpfleger Verlierer, wenn sie auf Ihr Fachgebiet spezialisiert werden?
Schüler, die generalistisch ausgebildet sind, können sich in jeglichen Pflegeberufen bewerben: Kinder, Kranken- und Altenpflege. Wer sich hingegen nach dem zweiten Jahr spezialisiert, darf ausschließlich in der Altenpflege arbeiten. Ein Sinn, der sich mir nicht erschließt, und eine Reform, die meiner Meinung nach Augenwischerei ist und am Bedarf vorbei geht.

Wie reagieren die Schüler darauf?
Die haben Angst vor einer arbeitslosen Zukunft; dass sie gegen Generalisten keine Chance mehr haben und ihre Ausbildung für die Katz war. Täglich bekomme ich Fragen, was mit ihnen passieren wird und wann die Umsetzung kommt. Auch wenn 2019 entschieden wurde, zweifle ich an der Einhaltung.

Sie scheinen gegen dieses Konzept zu sein – warum?
Nein, ich bin nicht dagegen. Ich finde nur die Ausarbeitung fehlerhaft. Die Reform sollte die Pflege aufwerten, vereinfachen und Chancen bieten. Diese bleiben Altenpflegern verborgen und das finde ich, Entschuldigung, unter aller Sau.

Wie bereiten Sie die Schüler nun darauf vor?
Das ist noch die große Frage. Bisher gibt es keine konkreten Umsetzungspläne, geschweige denn einen angepassten Lehrplan oder geschulte Lehrer. Ich bin sehr gespannt, was auf uns zukommt, und wie unsere Nachwuchskräfte profitieren – oder verlieren.

Katrin Altpeter, ist als langjährige SPD- Landtagsabgeordnete und Sozial- und Arbeitsministerin bekannt. Vor ihrer politischen Karriere war sie mit der Altenpflege schon eng verbunden. Neben ihrer Qualifikation als staatlich anerkannte Altenpflegerin, absolvierte sie eine Weiterbildung zur Lehrerin für Pflegeberufe. Sieben Jahre fungierte sie als Lehrerin an der Altenpflegeschule des bfw in Stuttgart. Nun ist Altpeter als Schulleiterin des bfw zurück und hält Die Pflegebibel als Kolumnistin up2date.

 



Hendrik Stüwe (Jahrgang 1991) Ist Pflegebibel Redakteur, gelernter Industriekaufmann, Fotograf und Journalist. Gesundheits- und Management-Themen sowie aktuelle Ereignisse aus der Pflege sind seine Spezialgebiete. Damit ist der ehemalige Fitnesscoach auch in anerkannten Arzt-, Physio- und Fitness-Magazinen unterwegs.