Jeder Demente isst anders

Sophie Rosentreter entwickelt mit Apetito einen Essens-Leitfaden

Auswahl, statt Einheitsbrei: Rosentreter und Apetito wollen Ernährung in Pflegeeinrichtungen individualiseren. (Foto: Fotolia)

Essen strukturiert den Tag: Morgens, mittags und abends. Oft ist es auch ein gesellschaftliches Ereignis. Denn man isst mit der Familie, Arbeitskollegen oder Freunden. Und immer mehr Menschen ernähren sich bewusst: mit hochwertigem Fleisch, Bio-Gemüse oder allergen-frei. Und jeder gestaltet seine Mahlzeiten nach eigenem Gusto: im Stehen, mit der Tageszeitung oder bei Kerzenlicht. Nichts anderes sollte für dementielle Menschen gelten, findet Demenz-Expertin Sophie Rosentreter.

Es gibt sogenannte Läufer, die keine Minute sitzen können. Deshalb könne es sinnvoll sein, diverse Verpflegungsstellen auf der Station zu verteilen, an der diese Bewohner sich im Vorbeigehen mit Fingerfood versorgen können. Andere mögen ihren Gegenüber einfach nicht leiden, da könne eine veränderte Sitzordnung eine angenehmere Atmosphäre schaffen. Und wieder andere werden etwa durch Schwarzwurzeln an die schwierige Nachkriegszeit erinnert. Entweder können sie das Gemüse überhaupt nicht mehr essen oder sie stopfen es in sich hinein, weil das alte Hungergefühl aktiviert wird.

Individuell essen macht’s leichter

Demenz-Expertin Sophie Rosentreter und Ralf Oberle von Apetito Consult präsentieren die neue Broschüre „Demenz is(s)t anders“. (Foto: Apetito)

„Auf den ersten Blick mag das für das Pflegepersonal sehr kompliziert sein“, wirbt die Hamburgerin für mehr Individualität beim Essen, „aber wenn die Bewohner zufriedener sind, dann ist es für alle Beteiligten leichter. Seit einem Jahr berät sie den Verpflegungsspezialisten Apetito, der neben Seniorenheimen und Tagespflege-Einrichtungen auch Kliniken und Werkstätten für Menschen mit Behinderungen beliefert. Außerdem bietet das Unternehmen aus Rheine eine Mittagsverpflegung für zuhause an. Seit Mitte Februar können Kunden über einen Onlineshop Menüs für besondere Ernährung nach Hause bestellen, wie pürierte und geformte Menüs oder hochkalorische Suppen.

 

Essen bestimmt Lebensqualität

Cover der Apetito-Broschüre „Demenz is(s)t anders“. (Bild: Apetito)

„Das Essen stellt einen wichtigen Aspekt in der Pflege dar, denn Essen bedeutet Lebensqualität“, sagt Ralf Oberle vom Geschäftsbereich Apetito Consult: „Unser Anspruch als Verpflegungsanbieter ist es, Lebensfreude und Genuss beim Essen in den Mittelpunkt zu stellen – unabhängig davon, in welcher Lebenssituation ein Mensch sich befindet.“ Beispielsweise hat der Caterer sein Ernährungskonzept überarbeitet und setzt nach eigenen Angaben verstärkt auf Emotionen, denn Sophie Rosentreter, die ihre an Demenz erkrankte Großmutter gepflegt hat, belegt an vielen Beispielen, dass dementiell veränderte Menschen vielleicht nicht mehr über den Verstand zu erreichen sind, aber immer noch über ihr Herz.

Kostenlose Broschüre mit Tipps rund ums Essen

Mit Informationsveranstaltungen, Vorträgen und Workshops werben die ehemalige TV-Moderatorin und Apetito um mehr Verständnis für die spezielle Essensthematik von Menschen mit Demenz. Außerdem bietet das Unternehmen eine Demenzbroschüre an, die Pflegekräften und pflegenden Angehörigen mit hilfreichen Tipps und Tricks helfen soll, sich in die Situation des demenziell veränderten Menschen hineinfühlen.

Fünf Tipps von Sophie Rosentreter:

  • Schalten Sie während des Essens alle Fernseher und Radios aus. Denn jede zusätzliche Geräuschkulisse lenkt ab und kann an Demenz erkrankte Menschen verwirren.
  • Reduzieren Sie die Tischdekoration. Besser: Schaffen Sie sie ganz ab, denn es kann sein, dass die Betroffenen auf einem vollen Tisch weder Teller noch Besteck oder Trinkglas finden.
  • Unterstützen Sie die Selbstständigkeit Ihrer Bewohner, indem Sie ihnen etwa helfen, den Löffel zum Mund zu führen. Und gehen Sie dabei achtsam vor. Kündigen Sie an, dass Sie jetzt seine Hand in Ihre nehmen.
  • Nehmen Sie sich Zeit, zusammen zu essen, denn die Bewohner können sich bei Ihnen das Essen wieder abgucken und sind besser „orientiert“. Außerdem stärken Sie die Beziehung durch gemeinsames Essen.
  • Haben Sie Mut, neue und andere Wege zu gehen. Beobachten Sie die dementiell veränderten Menschen und machen Sie aus dem Essen ein kleines Event. Wenn auch die Seelen satt sind, geht es beiden Seiten gut.

Jens Gieseler ist Kommunikationsberater, Journalist und Heilpraktiker für Psychotherapie. In den letzten beiden Lebensjahren war sein Vater pflegebedürftig. Deshalb hat er sich mit der Pflegebürokratie herumschlagen müssen und viel Sensibilität für das Altern und Sterben entwickelt. Erkenntnis: Beziehungen werden immer wichtiger.