Falsches Signal: Flüchtlinge in die Pflege

Kommentar von Michael Sudahl

Flüchtlinge sollen langfristig in die Pflege eingebunden werden, die freie Wirtschaft lockt jedoch mit höheren Gehältern (Foto: Fotolia)

Die Schwaben machen Ernst: In Baden-Württemberg sollen verstärkt Flüchtlinge für Pflegeberufe gewonnen werden. Der grüne Sozialminister Manfred Lucha kündigt an: Wer eine einjährige Helferausbildung in der Pflege absolviere, soll während der Ausbildung und anschließend nicht abgeschoben werden. Weil Lucha gleichzeitig der Integrationsministerkonferenz vorsitzt, hofft der Politiker auf Zustimmung aus den Ländern.

Soweit nichts Neues

Auch Flüchtlinge, die eine zweijährige Ausbildung abgeschlossen haben und in ihrem erlernten Beruf arbeiten, dürfen anschließend zwei Jahre in Deutschland bleiben. Wie es für sie danach weitergeht, ist allerdings offen. Eine Anschlussregelung für die Pflegehelfer gibt es nicht. So sieht keine Perspektive aus.

11.000 Flüchtlinge beendeten bis zum Sommer allein in Baden-Württemberg ihren Sprachkurs. Sie werden sich dann Jobs suchen. Ob sie diese allerdings in der Pflege finden, bleibt fraglich. Denn in der freien Wirtschaft ist deutlich mehr Geld zu verdienen. Christian Rauch von der Bundesagentur für Arbeit sieht daher die besten Chancen für Flüchtlinge in Bau, Produktion und Lagerlogistik.

Manfred Lucha, Landesminister für Soziales und Integration, will Flüchtlinge in die Pflege bringen. (FOTO: Sozialminsterium)

Auf dem Bau verdienen Flüchtlinge mehr

Hinzu kommt: Wer in der Pflege Karriere machen will, muss einiges leisten. Nach der Ausbildung zur examinierten Fachkraft (Dauer drei Jahre, nach zwei Jahren ist frau erst Hilfskraft), folgen oft 24 weitere Monate Zusatzausbildungen. Erst dann sind Jobs als PDL oder WBL und damit mehr Lohn drin. Auf dem Bau oder im Lager geht das nachweislich schneller.

 

Belastung ist der Pflege immanent

In Summe löst der politische Aktionismus aus dem Südwesten wohl kaum die Probleme der Pflege: Hoher Arbeitsdruck, häufig wechselnde Schichtdienste und psychische Belastung durch den ständigen Umgang mit Krankheit und Tod sind dem Beruf immanent – so scheint es.

Software und BGM

Natürlich gibt es Häuser und Einrichtungen, die das erkennen und Arbeitssituationen verbessern. Software löst dann Überstundenberge auf und das BMG kümmert sich um Stressreduzierung. Von Arbeitsbedingungen wie in der Industrie ist das allerdings noch weit entfernt.

PS kontra Pflege

Doch genau darin wurzelt das Dilemma. Solange Autos und Smartphones Status haben und uns der Umgang mit Alten und Kranken schnurz ist, wird sich das Kapital von der Pflege abwenden. Doch wer erlebt hat, wie wertvoll es sein kann, das Lebensende seiner Eltern würdevoll zu gestalten und alte Wunden zu heilen, dem werden PS und Bites zunehmend wurschter.

Signal fatal

Flüchtlinge in der Pflege ist im Kern eine gute Idee. Denn sie können helfen, kurzfristig Personallöcher zu stopfen. Doch ist das gesellschaftliche Signal fatal. Billige Arbeitskräfte versorgen die Alten unter uns, wo Konzerne für die Entwicklung von Elektrofalträdern nach wie vor millionenschwere Subventionen kassieren. Gut gedacht ist eben nicht immer gut gemacht, Herr Lucha. Leider.


 

Dieser Kommentar bezieht sich auf den Artikel Flüchtlinge im Pflegeberuf. Hier geht’s zum Artikel: https://die-pflegebibel.de/fluechtlinge-im-pflegeberuf/

 


Michael Sudahl (Jahrgang 1973) ist Pflegebibel-Initiator und greift am liebsten zu brisanten Themen in die Tasten. Der gelernter Banker, Journalist und Körpertherapeut ist seit Jahren in der Pflege unterwegs: Er berät soziale Organisationen in der Kommunikation und geht als Lebensberater und Schattenjäger den Dingen gerne auf den Grund.
Michaels Motto: „Sei du selbst die Veränderung die Du Dir wünschst für diese Welt“ (Ghandi)