Ausbildung zum Letzthelfer

Letzte Hilfe Kurse sollen Hilflosigkeit der Angehörigen nehmen

Sterben Angehörige oder Freunde sitzt der Schock tief und der richtige Umgang fällt vielen schwer
Letzte Hilfe Kurse sollen für Aufklärung sorgen und Angehörigen die Angst vor dem Tod nehmen (Foto:Fotolia)

Einweisungen ins Krankenhaus sind meist die erste Reaktion von Angehörigen, wenn ein Nahestehender stirbt. Mangelndes Wissen wie mit dem Sterbeprozess umzugehen ist, hindert oft das Ableben in den eigenen vier Wänden. Palliativmediziner Georg Bollig greift diese Problematik auf und entwickelt Letzte Hilfe Kurse, die aufklären wollen.

Tod oft als Tabu-Thema wahrgenommen

Rund zwei Drittel der Deutschen würden laut Chrismon Spezial 2014 gerne zuhause sterben. Nur für ein Fünftel aber erfüllt sich dieser Wunsch. Dabei haben Versicherte Anspruch auf spezialisierte ambulante Palliativversorgung.

„Ein rasselndes Atemgeräusch kann Nahestehenden Angst machen“, so Bollig. Der Notfall- und Palliativmediziner möchte mit seinem Lehrgang in Letzter Hilfe eine Plattform bieten über das Tabu-Thema Tod zu reden und darüber aufzuklären.

„Jeder hat mindestens einmal im Leben eine Verbindung zu dem Thema“, sagt der 50-Jährige. Das Aufklären über das Sterben sei ihm ein persönliches Anliegen. „Schon mit 18 Jahren lag mir das Thema am Herzen und ich habe mich für die Hospizbewegung engagiert“, erklärt Bollig. Geboren sei die Idee 2008 während seines Masterstudiums in Palliativcare. 2014 bildet Bollig mit norwegischen und dänischen Palliativmedizinern eine Arbeitsgruppe und entwickelt in dieser die Grundlagen seiner Kurse. In Schleswig-Holstein führt Bollig im Januar 2015 erste Pilotkurse ein.

Letzte Hilfe als Allgemeinwissen

In dem vierstündigen Lehrgang wird dem Teilnehmer nicht nur der Prozess des Sterbens erklärt. Auch Ernährungstipps für Sterbende, sowie Möglichkeiten um Symptome zu lindern, sind Schulungsinhalt. Außerdem lernen Teilnehmer, welche rechtlichen Besonderheiten es rund um das Sterben gibt, wie die Bestattung zu handhaben ist und wie verschiedene Kulturen mit Trauer umgehen. „Jeder kann an unseren Kursen teilnehmen“, bestätigt Bollig. Von Jung bis Alt, von Hausfrau bis zu Pflegekraft: Das gesamte Spektrum sitzt in den Schulungen.

Gedacht ist der Kurs ursprünglich für Personen, die sich nicht mit Medizin auskennen. „Meiner Meinung nach sollten Letzte Hilfe Kurse zum allgemeinen Wissen von jedem gehören, genauso wie Erste Hilfe“, so der Palliativmediziner. Nach dem Motto „Bildung soll jedem frei zugänglich sein“, sind die Schulungen größtenteils kostenlos. Je nach Veranstaltungsort und lokalem Veranstalter werden zehn bis 20 Euro Gebühr erhoben. Bollig und seine rund 300 Kursleiterinnen aus ganz Deutschland haben bis jetzt mehr als 1500 Personen ausgebildet.

Angst und Unwissenheit nehmen

Die Kurse wollen den Teilnehmern die Hilflosigkeit vor dem Sterben nehmen. „Jeder Teilnehmer soll wissen, dass er etwas machen – helfen kann“, so Bollig. Die offene Diskussion und das Gespräch über das Tabu-Thema Tod könne außerdem die Angst vor dem Sterben nehmen – sei es der Tod eines Angehörigen oder der eigene. „Menschen denken oft, dass es den Gegenüber belastet, über den Tod zu reden“, sagt der 50-Jährige. In Wahrheit entlaste es, das Thema anzusprechen und offene Fragen zu klären. Momentan entwickelt Bollig einen Letzte Hilfe Tageskurs für Mitarbeiter im Gesundheitswesen und Pflegeheimen. Dieser soll professionelle Helfer noch intensiver auf das Sterben vorbereiten und informieren.


Nele Ruppmann Jahrgang 1998, studiert germanistische Linguistik an der Uni Stuttgart. Nebenher ist sie als freie Mitarbeiterin für die Pflegebibel aktiv. Ihr Lebensmotto: „Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar“