73 Lifter halten Pfleger bei Laune

Pflegeheim senkt Krankenstand von 5,9 auf 2,4 Prozent

Rückenschonend: 8200 Mal sind die 73 Lifter in Weinheim täglich im Einsatz. Pro Schicht müssen die Mitarbeiter deshab sieben Tonnen Gewicht ihrer Bewohner nicht mehr stemmen.

Das Weinheimer Bodelschwingh-Heim nimmt seine Mitarbeiter ernst: Seit 2011 sind alle Seniorenzimmer mit Liftern ausgestattet. Die Folgen: Der Krankenstand sank von 5,9 auf 2,4 Prozent und die Pflegequalität hat sich verbessert.

Binnen sechs Wochen hat das Haus in Trägerschaft der evangelischen Kirchengemeinde Weinheim 2011 alle Bewohnerzimmer mit Deckenschienen ausgestattet und 73 Lifter angeschafft, die in den Zimmern dauerhaft im Einsatz sind, in denen Bedarf besteht. „Technische Hilfsmittel greifen nur, wenn sie immer verfügbar und Teil der täglichen Pflegeabläufe sind“, begründet Pflegedienstleiter Christian Rupp die konsequente Umsetzung, die das Haus 550.000 Euro kostete. Hinzu kamen 250.000 Euro für Aufstehhilfen, höhenverstellbare Duschstühle, Gleit- und Antirutschmatten oder Anziehhilfen für Kompressionsstrümpfe, die immer griffbereit sind.

Pflegeheim investiert 550.000 Euro in 73 Lifter

Vorausgegangen waren in dem Haus mit 230 Mitarbeitern, davon 152 in der Pflege, umfangreiche Befragungen zur Arbeitsplatzzufriedenheit und zu Verbesserungsideen. Rupp: „Die Mitarbeiter konnten sich mit der Philosophie des Hauses identifizieren, wollten Wertschätzung für sich selbst aber auch ganz praktisch erleben.“ Und angesichts eines Krankenstands von 5,9 Prozent, häufig wegen Rückenschäden, und vieler Mitarbeiter, die wegen der körperlichen Belastung spätestens mit 35 Jahren der Branche den Rücken kehrten, lag die Lösung mit den Liftern nahe.

Alleinstellungsmerkmal auf dem lokalen Arbeitsmarkt

Hatte der schwedische Hersteller bis dahin bundesweit nur drei vergleichbare Referenzen, stieß er bei einem Vertriebsbesuch 2010 im Bodelschwingh-Heim, das damals noch 250 Bewohner hatte, auf offene Ohren. Schon damals sahen Rupp und Geschäftsführerin Heidi Zieger in ergonomisch gestalteten Arbeitsplätzen ein Alleinstellungsmerkmal für sich auf dem lokalen Arbeitsmarkt, um die dringend benötigten Pflegekräfte zu gewinnen und auf Dauer im Haus zu halten.

Jede Schicht muss sieben Tonnen Körpergewicht bewegen

In einem ersten Schritt wurden 2011 in zwölf Wochen, verteilt über ein Jahr, 16 Pflegekräfte zu Ergo-Coaches weitergebildet, die später ihr Wissen mit den Kollegen teilen sollten. Dabei wurde etwa erfasst, dass die Senioren in der Einrichtung täglich rund 8200 Mal dabei unterstützt wurden, aus dem Bett aufzustehen. Je nach Korpulenz des Bewohners waren daran jedes Mal zwei bis drei Mitarbeiter beteiligt. Jede Pflegekraft bewegte in jeder Schicht auf diese Weise sieben Tonnen pro Tag, woraus der körperliche Verschleiß resultierte.

IQD-Zertifizierer Wolff: „Lifter erhöhen die Pflegequalität“

Im zweiten Jahr folgten sechs Workshops auf allen Wohnbereichen, wobei die praktische Umsetzung mit konsequenter Praxisbegleitung vor Ort unterstützt wurde. Dabei wurde deutlich, dass die Senioren den Service schätzen. Siegfried Wolff, Geschäftsführer des Instituts für Qualitätskennzeichnung von sozialen Diensten (IQD), der das Haus alle zwei Jahre zertifiziert: „Der Lifter erhöht die Pflegequalität. Denn je leichter die Pflegekraft mit dem Bewohner umgeht, desto angenehmer ist dies für die betroffene Person.“

Lokaler Träger hat Belange der Mitarbeiter mehr im Blick

Dass das Lifter-System bundesweit nicht weiter verbreitet ist, führt Rupp auf den lokalen Träger zurück, der direkter die Belange seiner Mitarbeiter sehe: „In großen Strukturen scheut man vermutlich die Kosten, obwohl die sich längst amortisieren.“

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